Historisches
Zur niedersächsischen Verkehrsgeschichte – die Entwicklung des Straßenbaus in Niedersachsen
7. "Die Bundesrepublik betoniert den Rest derselben" (1955-2005)
"Die Bundesrepublik betoniert den Rest derselben" – so lautete die Schriftzeile unter einer Karikatur etwa Anfang der 1980er-Jahre, als den Straßenbauern starker Gegenwind aus den Medien, den hauptsächlich die Umweltverbände entfacht hatten, entgegenschlug.
Eine Verbesserung der Finanzierung des Bundesfernstraßenbaus trat mit Verkündung des Verkehrsfinanzgesetzes 1955 ein, das eine Zweckbindung für die Mehreinnahmen aus der im Gesetz vorgesehenen Erhöhung der Mineralölsteuer vorsah. Das Gesetz gestattete weiterhin, Kredite bei der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Arbeiten (Öffa) aufzunehmen. Das geschah zwischen 1955 und 1960 in einem Umfang von 750 Mio. DM.
Auf diese Weise konnte nun auch der Autobahnbau wieder aufgenommen werden. Am 1. November 1950 war bereits das Autobahnneubauamt Northeim unter der Leitung von Dr.-Ing. Wilhelm Mecke (1907-2006) eingerichtet worden. Dessen erste Aufgaben bestanden im Wiederaufbau der bei Kriegsende gesprengten Werratal-Autobahnbrücke (1950 bis 1952) und dem zunächst einbahnigen Weiterbau der heutigen A 7 von Nörten bis Northeim-Nord in den Jahren 1951 bis 1954.
Die vordringlichste Aufgabe im Autobahnbau bestand darin, die etwa 240 km lange Lücke der A 7 zwischen Hamburg und Northeim zu schließen. Die hierfür eingesetzten drei Autobahnneubauämter in Northeim, Hildesheim und Walsrode sowie das Autobahndezernat der Straßenbaudirektion konnten die Arbeiten so fördern, dass am 6. Juli 1962 die letzte Lücke der A 7 zwischen Kirchhorst (B 3) und Hildesheim (B 1) geschlossen wurde. Nur zwei Wochen später war die heutige A 7 auch in ganz Deutschland mit der Einweihung der letzten Teilstrecke am 20. Juli 1962 bei Freiburg im Breisgau fertiggestellt. Die Pläne der HAFRABA waren endlich verwirklicht.
Zwischenzeitlich war eine weitere Verbesserung der Finanzierung des Bundesfernstraßenbaus mit dem Straßenbaufinanzierungsgesetz vom 28. März 1960 erreicht worden. Das Mineralölsteueraufkommen floß zu etwa 50 Prozent in den Bundesfernstraßenbau. Daher konnte das Hauptnetz der Durchgangsautobahnen in Niedersachsen zügig gebaut werden:
- A 27 Bremen – Walsrode von 1959 bis 1964,
- A 1 Bremen – Osnabrück von 1959 bis 1968,
- A 352 Eckverbindung Hannover von 1967 bis 1976,
- A 261 Eckverbindung Harburg von 1979 bis 1983.
Die "Ergänzungsautobahnen" wie z. B. A 27, A 28, A 29, A 30, A 31, A 33, A 37, A 38, A 39, A 250, A 391 und A 395 wurden zum größten Teil in den 1970er- und 1980er-Jahren gebaut. Das Netz der Bundesautobahnen in Niedersachsen ist jetzt rund 1.400 km lang. Bundesweit gibt es über 12.000 km Bundesautobahnen.
Wenn dann nach jahrzehntelangen Planungs- und Finanzierungs-bemühungen die A 26 (Stade – Hamburg) und die A 39 (im Raum Braunschweig) demnächst fertig gestellt sein werden [Letzteres ist 2009 geschehen, Anm. d. Red.], bleiben in der Zukunft noch zwei große Autobahnen zu realisieren: Die "Nordlandautobahn" (A 39) von Lüneburg nach Wolfsburg und die "Küstenautobahn" (A 22) von Stade nach Westerstede.
Die Darstellung der Straßengeschichte der jüngeren Vergangenheit wäre unvollkommen, wenn die Zeit der "Wende" 1989/90 nicht erwähnt würde. Diese Zeit war für viele Straßenbauer im Rückblick der spannendste und interessanteste Abschnitt in ihrem Berufsleben. Innerhalb kürzester Zeit konnten zwischen dem 11. November und dem 31. Dezember 1989 bereits 14 Bundes- und Landesstraßen im Bereich der DDR-Grenzsperranlagen und oft weit darüber hinaus für Kraftfahrzeuge wieder befahrbar gemacht werden, die restlichen 27 Verbindungen im Zuge von Bundes- und Landesstraßen folgten bis zum Frühjahr 1990. Sogar die Dömitzer Elbebrücke war bereits am 18. Dezember 1992 wieder hergestellt. Aber auch die Straßenplaner waren vor die völlig neue, in Generationen nicht wiederkehrende Aufgabe gestellt, ein neues Straßennetz für das Zusammenwachsen der Jahrzehnte lang zerrissenen Teile Deutschlands zu entwickeln.
Fazit und Ausblick: Wenn auch der Zustand zahlreicher Landesstraßen sehr zu wünschen lässt, so konnte doch insgesamt das Netz der überörtlichen Straßen in den letzten 50 Jahren in einen technisch sehr hochwertigen Zustand versetzt werden. Es wurde in dieser Zeit, hochgerechnet auf das heutige Preisniveau, die astronomisch klingende Summe von rund 40 Milliarden Euro – nur in Niedersachsen – verbaut. Es entstanden in dieser Zeit im Lande Niedersachsen rund 500 Ortsumgehungen und Neubaustrecken, weit überwiegend im Zuge von Bundesstraßen.
Unaufhörlich aber "nagt der Zahn der Zeit" hauptsächlich an Fahrbahndecken und Brückenbauwerken, so dass heute schon und künftig zunehmend erhebliche Geldmittel zur Erhaltung der Straßen aufgewendet werden müssen.
Es bleibt zu hoffen, dass darüber hinaus die noch zahlreichen Wünsche nach neuen Straßen erfüllt werden können.